warenwirtschaft newsletter 36

warenwirtschaft

Hamburg, im Sommer 2012, unter großem Baulärm

Hallo,

dieses Schreiben nur, um euch wissen zu lassen, dass bei uns alles rund läuft wie bisher.

Macht’s gut,

 

Anne, Berit, Florian, Louisa, Nico und Reuli.

PS:
Man muss immer, immer das Positive sehen. Immer. Hier also das Positive: Dank des infernalischen Kraches, den die Abrissmenschen hinterm Haus verursachen, während sie mit mehreren Dutzend Presslufthammern irgendwelche Dinge abreißen, wie es ihre Aufgabe ist, traut sich kaum ein Kunde in den Laden, und ich kann in aller Seelenruhe hinterm Cafétresen stehen und den lange fälligen Newsletter anfangen.

Die wenigen Kunden, die trotzdem kommen, schauen erschrocken drein, kaufen mit dreifacher Geschwindigkeit ein und verständigen sich brüllend, aber freundlich mt uns.

So oder so, sicher geht das irgendwann vorbei, auch die fleißigsten Abrissarbeiter machen irgendwann mal Feierabend von ihren Abrissarbeiten. Danke, dass Ihr trotzdem kommt!

 

PS 2: Bionade. Fliegt raus! Zack. Das ehemalige Bio-Pionier-Getränk, damals noch aus der Hand eines echten alteingesessenen Familienunternehmens, ist, wenn man so will, vom Erfolg verdorben worden:

Schrittweise von Dr. Oetker angeeignet und seit Beginn des Jahres nach dem unfriedlichen Ausscheiden der Gründerfamilie ganz in der Hand des Großkonzerns, ist Bionade nicht mehr so richtig ein Produkt, das zu uns passt. Bei dem begrenzten Verkaufsplatz, den wir haben, stellen wir uns lieber Limos von kleineren, konsequenteren, greifbareren Herstellern in die Regale, zum Beispiel Bios. Die haben zwar zugegebenermaßen anfangs ziemlich von Bionade abgekupfert, kommen aber ohne Zucker aus, sind mit Bioland-Qualität statt bloß EG-Bio zertifiziert, schmecken mindestens genauso gut (finden wir), und die Hersteller gehören sich selber und nicht irgendeinem undurchsichtigen Riesenkonzernkonglomerat.

Oder aber LemonAid, unseres Erachtens die leckerste Zitronenlimo, die auf dem Markt zu haben ist. Die kommt zwar nicht ohne Zucker aus, lässt sich den aber nicht nur Bio- sondern auch FairTrade-zertifizieren, und alle anderen Zutaten auch. Soweit wir wissen die einzige durchgängig faire Limo, die es gibt.

PS 3: Fest. Kann man da noch guten Gewissens von einer Geburtstagsfeier reden? Ein bisschen spät. Wir sind ja schon lange vier. Aber dieses Jahr hatten wir derartigen Schwierigkeiten mit der Terminfindung, dass es diesmal der Oktober werden muss. Das ist noch lange hin, und die Hoffnung ist natürlich klein, dass sich das irgendjemand jetzt schon merkt – aber wir wollten es schonmal erwähnt haben:

Die warenwirtschaft wird am Samstag, dem 27. Oktober ihren vierten Geburtstag feiern.

Weil die Parties, die wir bisher an unseren Jahrestagen ausgerichtet haben, zwar immer nett, aber nie so rauschend waren, wie sie es hätten sein müssen, um den getriebenen Aufwand zu rechtfertigen, haben wir uns diesmal wieder ein bisschen was Anderes überlegt: Es gibt ein kleines Konzert, und zwar ein klassisches, ganz gediegen, mit Streichern von Rang, das wird sicher toll. Und nachdem beim letzten Mal die Lesungen gut angekommen sind, werden wir wohl in der Richtung auf wieder was machen. Also ein ganz kulturell hochwertiger Abend. Wir lassen euch Genaueres wissen, wenn wir Genaueres wissen.

PS 4: Wegmarke erreicht. Nachdem die Mitgliederzahlen jetzt einige Monate lang knapp drunter stagnierten, haben wir soeben die 600 überschritten und werden quasi täglich mehr. Toll. Im Laden ist viel los, und wir fangen wieder mal an, zaghaft über Wartelisten für Neumitglieder und Ähnliches zu diskutieren.

PS 5: Samenfest. Was glaubt ihr, wieviele der Öbste und Gemüsen, die man täglich so isst, im Stande sind, sich ganz normal fortzupflanzen wie wir Menschen? Also, soll heißen, technisch nicht ganz genauso wie wir Menschen, aber auf natürliche Weise fortzupflanzen eben.

Vermutlich würde man als Laie erstmal selbstverständlich davon ausgehen, dass das alle können und das normal so ist.

Gut, die umständliche Einleitung lässt es schon vermuten: Dem ist nicht so, und zwar ganz und gar nicht. Die allermeisten Gemüsesorten, die heutzutage auf dem Markt zu kriegen sind, sind steril, sogenannte Hybride, im Labor gezüchtet – auch im Biobereich. Die Produzenten kaufen und säen jedes Jahr neue Samen. Das ist das Ergebnis einer langen Züchtungsentwicklung, in der Sorten von Saatgutunternehmen zum einen auf Optik und Ertrag hin optimiert und zum anderen so umgebaut wurden, dass jedes Jahr aufs neue Geld von den Bauern und Gärtnern an diese Unternehmen fließen muss.

Und das läuft schon so lange und so gründlich so, dass die ursprünglichen Sorten oft nur noch von irgendwelchen Liebhabern auf abgelegenen Kleinsthöfen kultiviert werden oder gar ganz und völlig verschwunden sind. In erschreckend vielen Fällen sind wir den Hybriden alternativlos ausgeliefert, und es ist ein großes Ereignis, wenn man irgendwo in der Welt noch eine Handvoll Körner einer alten Maissorte findet, die vielleicht für die Vermehrung geeignet ist und in einem langwierigen Prozess wieder auf eine marktfähige Menge gebracht werden kann.

Es existiert ein Copyright auf diese Hybridsorten. Nicht nur das Saatgut selbst, sondern auch der zugehörige „Bauplan“ gehört also den Konzernen, es sind geschützte Marken wie Coca-Cola oder so, nur halt als Broccoli. In etwa so, als würde ein Anwalt an meiner Tür klingeln und mich abmahnen, weil ich eine Pappel in meinem Garten habe – „Pappeln“, würde er sagen, „gehören leider Monsanto, junger Mann, und wo immer eine Pappel wächst, möchte Monsanto verdienen. Sie kommen jetzt ins Gefängnis“.
„Achwas“, würde ich denken, „das kommt mir aber merkwürdig vor.“ Und: „Junger Mann, hat er gesagt – er wollte mir wohl schmeicheln.“

Seit ein paar Jahren, und das ist, wo wir eigentlich mit dieser Geschichte hinwollen, gibt es jedenfalls in der Biobranche einige Züchter, die sich mit wirklich großer Hingabe der Wiederherstellung vermehrungsfähiger Sorten widmen – zum Beispiel in der Gärtnerei auf dem Gut Wulfsdorf ganz bei uns in der Nähe, einem (Achtung, Trendsprache) Hotspot biodynamischer Saatgutforschung, von dem wir auch immer wieder Gemüse im Regal haben.

In dieser Sache muss man dem Demeter-Verband mit dem Verein kultursaat e.V. eine große Pionierrolle bescheinigen, aber inzwischen haben auch die Bioland-Leute mit saatgut e.V. einen Verein gegründet, dem es um die Rückzüchtung und den Schutz der Sorten vor kommerziellen Interessen geht.

Beide Vereine sagen: Die Grundlagen unsere Ernährung dürfen niemandem gehören, sie sind Allgemeingut, ihre Privatisierung ist falsch und unangemessen und macht uns abhängig von Leuten, von denen wir nicht abhängig sein wollen. Da könnte man ja auch ein Patent auf Atemluft anmelden, oder gar, so absurd das klingt, Trinkwasser zu privatisieren versuchen…

Also wird unter großen Mühen rück- und neugezüchtet, und dann ist nach jahrelanger Arbeit eine solche samenfeste Sorte fertig – und wird der Allgemeinheit zum freien Gebrauch zur Verfügung gestellt. Hier ist viel Idealismus im Spiel, und der Aufwand, der dort getrieben wird, wird nicht mal annähernd durch das eine oder andere Fördergeld gedeckt.

Häufig sind die Erträge dieser samenfesten Sorten geringer als die der Hybriden, und das schlägt sich nicht selten auch im Preis der Ware nieder – aber in den meisten Fällen sind sie geschmacklich der rein auf Äußerlichkeiten getrimmten Hybride haushoch überlegen und deswegen nicht nur aus ideellen Gründen ihr Geld wert.

Und jetzt die Kurve ins Praktische: Auch die Produzenten in unserer Region bieten immer mehr samenfeste Sorten an, und wir kaufen immer mehr davon für euch ein. Da das Thema hybrid versus samenfest aber in der Öffentlichkeit trotz seiner Tragweite immer noch kaum eine Rolle spielt, merkt ihr das womöglich gar nicht. Und deswegen, Überraschung, haben wir diesen sehr langen Text geschrieben!

Samenfestes Gemüse ist auf den Schildern mit dem naheliegenden Kürzel „SF“ ausgewiesen. Samenfest ist zum Beispiel die Möhrensorte „Rodelika“, die ihr haufenweise bei uns kauft (außer im Moment, die Lager sind leer und die neuen Rodelikas noch nicht erntefähig). Die macht geschmacklich wirklich deutlich mehr her als das meiste andere auf dem Markt. Die Züchtung der Rodelika hat übrigens zwölf Jahre gedauert und 600 000 Euro verschlungen.
Außerdem ist alles samenfest, was vom Arpshof kommt – ohnehin Ware, die meist an Frische und Qualität kaum zu überbieten ist. Und auch zum Beispiel der Rote-Bete-Saft von Völkel. Und sonst noch Einiges mehr.

PS 6: Neue Produkte. Die warenwirtschaft schläft nicht und hat schon wieder einen ganzen Haufen neuen Kram in ihre Regale geworfen, damit ihr ihn wieder rauszerrt, denn das ist der Kreislauf des Lebens.

Getränke:

  • Bier aus dem Süden des Landes: Bayern (Viva Bavaria Festbier) und vor allem Franken (Weißenoher Classic Export), beide gut, wie sich das bei Bieren aus dem Süden auch gehört.
  • Apfel-Cider aus dem Süden der Elbe: Elbler mit mehr (Flut – 5,5%, damit herber) und weniger (Ebbe – 2,5%, damit süßer) Alkohol. Von einem kleinen Hamburger Anbieter, aus altländer Bioäpfeln. Eine gute, nette Sache. Hier bitte beachten: obwohl die Flaschen vielleicht fast so aussehen, sind es KEINE Pfandflaschen! Das macht bei der kleinen produzierten Menge von elbler leider noch keinen Sinn…
  • Wein aus dem Süden Amerikas: Nuevo Mundo weiss (Sauvignon, frisch und leicht) und rot (Carmenere, dunkel und herb)
  • Holy Seven Holunderblütenlikör: im Norden produziert und so schmackhaft, dass man den Alkohol kaum bemerkt. Bis es zu spät ist.
  • BioZisch Mate – herb und sehr gut so. Manche von uns finden es – darf man das schreiben? – besser als den konventionellen Mitbewerber… Außerdem BioZisch nature energy – klingt doof, und ob man das gut finden muss, dass jetzt auch Voelkel versucht, auf den Zug der trendy Aufputsch-Energydrinks mit gewollt schmissigen Namen aufzuspringen, sei mal dahingestellt. Aber: Das Zeug schmeckt einfach lecker, ingwerig mit einer aufwendigen Kräutermischung und Guaraná, „nature energy“ hin oder her.
  • neue Limonaden von Now: Red Berry, White Bitter, Fresh Lemon – und natürlich keine Bionade mehr, pfui, Bionade!
  • Voelkel Bio-Family Maracuja, ein günstiger Exotensaft in der Literflasche
  • Naturtrüber Voelkel-Apfelsaft in der Literflasche mit Demeter-Zertifikat – eine ganze Ecke kostspieliger als der aus Streuobst (den wir natürlich auch weiterhin anbieten), aber eben Demeter.

Käse:

  • kräftiger und leckerer Bergkäse von der Allgäuer Sennerei Moosbach unter dem treffenden Label „oyfach guat“ (das spricht man, wie man es schreibt) in verschiedenen Varianten: Älplerkäse, Hornkäse, Demeter Bergkäse, Alpenglüher mit Pfeffer… einfach mal fragen, anschauen, probieren. Wegen der zwischenhändlerfreien Direkt-Belieferung aus dem Süden erstaunlich günstig, ebenfalls wegen der Direkt-Belieferung allerdings keine auch nur annähernd lückenlose Verfügbarkeit bei uns – es kommt, was kommt, und was weg ist, ist weg, denn auch das ist der Kreislauf des Lebens.

Kühlregal

  • Sahne-Kefir in den neuen Varianten Mango-Vanille und Rote Grütze – sehr lecker dank feiner Fruchtmischung und, sind wir doch mal ehrlich, dem mehr an Fett. Mhmmm… Fett!
  • Biowerk Hummus mit Chili – hier wird mit Schärfe nicht gegeizt, macht sich sehr gut auf Fladenbrot

Kosmetikecke

  • Khadi Produkte mit ayurvedischen Rezepten, von der Gesichtsmaske bis zum Haaröl.
  • Ein kleines Sortiment an Schminke von Logona, klein, weil sich unsere Kunden dafür wenig interessieren, die sind eben auch so schon so schön.
  • 2 Seifen, die nach alten Rezepten hergestellt werden, zum einen Olivenseife, zum anderen Aleppo-Seife. Scheinen gut zu sein, verkaufen sich wie geschnitten Brot
  • Und neu, Spülschwämme und Kupferlappen, voll in Bio.

anderes:

  • Halva von Allos… viel zu lecker. Im Joghurt zum Beispiel. Oder aus der Hand.

 

PS 7: Verabschiedung. Das soll es dann auch gewesen sein. Ist ja auch, wieder einmal, mehr als genug.
Einen schönen Restsommer euch allen, und man sieht sich.

Übrigens: Fans können alte Newsletter aus vergangenen Zeiten hier im Archiv betrachten und zum Beispiel auswendig lernen.

 

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