Branchen-Insider-News: Der Demeter-Anbauverband schließt einen Vertrag über eine Partnerschaft mit der Real-Handelskette. Real, genau. Diese riesigen Riesensupermärkte. Die, die sich dieses Jahr von der Metro-AG abgespalten haben, um nicht mehr an gewerkschaftliche Tarifverträge gebunden zu sein. Um zukünftig mit „wettbewerbsfähigen Entgeltstrukturen“ arbeiten zu können.
Und Demeter, genau – die Anthroposophen. Mutter Erde, Rudolf Steiner, bei Vollmond gemahlene Kuhhörner ins Gießwasser. Der Anbauverband mit den strengsten Kriterien in Sachen Pestizide, Zusätze, Tierwohl, Mensch und auch sonst überall. (Den man, auch das muss gesagt sein, an vielen Stellen für Pionierleistungen, Idealismus und Nachhaltigkeits-Speerspitzentum ausdrücklich loben muss.)
Noch vor ein paar Jahren wäre es komplett undenkbar gewesen, Demeter-Produkte außerhalb des Bio-Fachhandels zu finden. Dann sind die Verbandswaren nach und nach in die Bio-Discounter eingesickert – warum das auch irgendwie oft nicht ganz so gut ist, kann man hier unter der Überschrift „Zweitprodukte“ in einem Newsletter eines etablierten und respektierten Hamburger Bio-Fachhandels nachlesen.
Und jetzt fällt die letzte Schranke, Demeter besinnt sich offenbar darauf, dass sie ja ein Anbau- und kein Handelsverband sind und ergo nur die Herstellung, nicht aber der Vertrieb der Produkte irgendwelchen Kriterien unterliegen muss, weil, naja, Geld.
Soweit, so naheliegend, dass wir als Fachhändler das nicht nur widersprüchlich finden, sondern auch unsolidarisch, und ethisch nicht am oberen Ende der Skala.
Aber jetzt kommt es: Wenn man sich ansieht, was Real über sein Bio-Engagement schreibt – und hat man nicht schon bei hunderten Konzernmolochen über deren „ehrliches“ Engagement in Sachen Nachhaltigkeit, Fairness etc. gelesen? Die zugehörigen Buzzwords und das Marketingsprech über sich ergehen lassen? Nicht eine Unze davon geglaubt?
Wenn man sich jedenfalls ansieht, was Real da schreibt, gewinnt man, gewinne ich jedenfalls, und ich gebe es nur widerwillig zu, nahezu den Eindruck, dass sie es wirklich ernst meinen. Ernster jedenfalls als alle anderen Unternehmen dieser Art, die sich mit grünen Feigenblättern schmücken.
Da stehen wirklich gute, fundierte, ausführliche Texte zu Anbauverbänden, Permakultur, Regionalität und Reals Einsatz für selbige. Entweder hat Real also sehr gute Bio-Demagogen angeheuert (merkwürdig, wieso haben sie dann mich nicht gefragt?) oder will tatsächlich was in Sachen Grün. Und wenn einer von den Großen tatsächlich was will in Sachen Grün, dann hat der Fachhandel das gutzufinden, ob er möchte oder nicht: Wenn eine große Kette wirklich umsteuert und anständig wird, und damit auch noch Erfolg hat, kann sie damit natürlich an messbarer Weltverbesserung wirklich viel erreichen, und Weltverbesserung sollten auch wir Fachhändler ganz oben auf der Fahne stehen haben…
Wir behalten uns trotzdem weiterhin vor, wegen Demeter beleidigt zu sein – in Sachen Ganzheitlichkeit büßen sie da schon eine Menge Glaubwürdigkeit ein. Aber insgesamt ist das doch eine eher verwirrende Situation, wenn die Feindbilder so beklagenswert unklar sind. |