Alle gehen weg Das ist jetzt hier mal wirklich, puh, ein bisschen hart. Wobei. Steht nicht in jedem Sprüchekalender der Kalenderspruch vom chinesischen Zeichen für Krise, quasi zusammengesetzt aus Gefahr plus Chance? Bei uns dann jetzt also Chancen im Quadrat, frage nicht.
Innerhalb der letzten paar Monate hat unser Personal komplett minus eins gekündigt. Nicht (hoffe ich), weil wir so grauenhafte Arbeitgeber sind, sondern verschiedene Gründe.
Als da wären:
Frank, der gute, treue Frank, der von Tag 1 dabei war und nach vierzehn Jahren verdient seinen Hut nimmt, weil er lang genug zwei anstrengende Jobs parallel gemacht hat, ist schon länger weg. Er hat mich gebeten, folgende Grußbotschaft für euch zu copypasten, und das ist ja wohl das Mindeste, das wir ihm schuldig sind:
Hallo Freund*innen der Warenwirtschaft
„Hallo u Tschüss“
„Mitglied? - Deine Nummer? - Ne, brauch ich nicht, schon eingetippt“ ;)
„noch ein Brot?, einen Bon?
…
14 Jahre und bis zum Juli sehr gerne, Unterstützer der Warenwirtschaft.
Und nu ists vorbei.
Gekündigt, Ära beendet, Wehmut u Freude auf Neues.
Und weil ihr mich u ich euch, wir uns so lange „begleitet“ haben,
ein persönlicher Abschiedsgruß *
Schön wars mit euch „Nummern u Nummerlosen“
habt es alle gut
und dann gerne auf ein Wiedersehen bei Wawi-Konzerten oder zufälligen Begegnungen auf der Straße.(mal schauen, ob ich euch dann noch mit eurer Nummer ansprechen kann :))
Frank
Josefine, die wir gern ins Kollektiv eingeheiratet hätten, die aber auch als angestelltes Kollektivmitglied ehrenhalber unseren Laden in den letzten acht Jahren so sehr mitgestaltet und mitgetragen hat, dass sie eigentlich nicht wegzudenken und ihr Fortgang damit rechtlich quasi illegal ist. Die verlässt die Stadt und geht nochmal studieren; das laute Knacken unserer synchron brechenden Herzen soll ihr ein Tusch zum Abschied sein. Sie lässt ausrichten, sie sei zu sentimental, um sich adäquat zu verabschieden, sagt aber einen lieben Dank möchte allen und jedem und jeder einzelnen von Herzen das Beste wünschen, in der Hoffnung, dass man sich dereinst wiedersehen möge.
Kerstin, die sich als ausgebildete Ökotrophologin von ihrem Arbeitsleben noch eine andere Perspektive wünscht - das ist, wir geben es zu, nachvollziehbar. Wir bedanken uns für vier Jahre warenwirten und wünschen ihr alles Gute!
Mira, die wie manche junge Menschen offenbar noch ein ganz anderes Leben neben dem Laden hat (unverständlich!) und jetzt wirklich allmählich mal mit den Praktika anfangen muss, die sie für ihr Studium braucht. Wir sagen: Offene Hand mit Fingerspitzen am Kinn, beide Zeigefinger über Kreuz, ein Zeigefinger malt Linie in die Luft, Zeigefinger zweimal seitlich an die Wange geklopft.
Wir wissen sehr wohl, dass der Reiz und Charme der warenwirtschaft nicht nur in den Bananen liegen, sondern auch und mehr in den Menschen, denen ihr hier begegnet. Da geht es uns genauso wie euch. Wir sind traurig.*
Aber! Jetzt der Chance-Part! Nämlich hat der Levin den Frank abgelöst - und der ist dem Frank sein Sohn! Wie poetisch ist das denn! Und es wird noch poetischer: Levin trägt dem Frank seine Ladengummischuhe auf! Fußstapfen! Metapher!
Darüberhinaus hat im September Mia bei uns angefangen, die viel frischen Wind mitbringt und sich schon sehr gut bei uns eingefügt hat.
Und! Die warenwirtschaft ist jetzt Ausbildungsbetrieb und hat sehr viel Freude an ihrem neuen Azubi Joel, auch, aber nicht nur, weil er viele gute Witze kennt (“How do you call an elephant that is not important? Irrelephant!”).
(Anm. v. mir selber: Übrigen ist dieses “Krise = Gefahr + Chance”-Ding großer Manager-New-Age-Quatsch, der in absolut unverhältnismäßigem Maße seit vielen Jahren papageienartig und ungeprüft überall nachgeplappert wird. Ich habe gerade lang genug Sinologie studiert, um das zu merken. Also, ein Semester Sprachkurs halt. Das reicht nämlich knapp aus, um Leute kennenzulernen, die Sinologie können und sich seit Ewigkeiten darüber aufregen. Solche sogenannten Weisheiten gehen immer leichter runter, wenn man sie schön fernöstlich verkleidet, aber sauberes Denken ist das nicht.)
* Wer errät, von welchem wunderbaren Buch das der erste Satz ist? |